2000 v. Chr. - 1300 n. Chr. Erste Besiedlung, Heiligensee-Sagen, Germanenfunde und Wendenpfennige
Um 2000 v. Chr. bis 300 n. Chr. wohnten germanische Semnonen in und um Heiligensee. Funde vom Havelufer (Walzenbeile, Urnen, Steinmesser, Lanzenspitzen) sind heute im Märkischen Museum Berlin zu besichtigen. 300 n. Chr. bis 1200 n. Chr. wohnten slawische Wenden am Havelufer nach dem Wegzug der Germanen während der Völkerwanderung. Deutsche Bauern kamen nach Heiligensee nach dem Sieg der Wenden durch Albrecht den Bären. Die Aufteilung der Höfe erfolgte, wie sie heute größtenteils noch sichtbar sind. 1250 n. Chr. wurde die Dorfkirche auf dem Dorfanger errichtet. Heiligensee war einst Rittersitz auf Grund des strategisch wichtigen Havelüberganges.
1313 - 1544 Die Ritter von Heiligensee
Das Dorf Heiligensee ist seit 1313 der Ritterfamilie von Bredow zugehörig. Die Ländereien reichten vom Havelufer (heute Tegelort im Süden), der Stolper Heide (Norden) bis zum Tegeler See. Die von Bredows waren ein in der Mark weit verzweigtes Rittergeschlecht, die sich familiär gegenseitig beistanden. In Heiligensee hatten sie Schulden. So verpfändet Johann von Bredow 1313 einen Teil der Einnahmen der Heiligenseer Fähre gegen ein Darlehen. 1352 werden die Einnahmen des Ritterlandes verpfändet. 1402 verlor Hennig von Bredow seinen Besitz an die Spandauer Fähre auf Grund von Zahlungsrückständen. 1434 wird die Hälfte der Wälder verpfändet. Caspar von Bredow verkauft 1468 ganz Heiligensee an den Ritter von Pfuhl. 1545 erwirbt Kurfürst Joachim II. Heiligensee und dazugehörige Wälder. Das Aufblühen der Städte und das Stärkerwerden der Fürstenhäuser führt zum wirtschaftlichen Ableben der Rittergüter, so auch in Heiligensee. In einer Spandauer Urkunde von 1313 wird erstmalig der Pfarrer Nikolaus Clanier von Heiligensee benannt (der Name ist auf der Tafel am Turmeingang der Dorfkirche zu finden: "Die Fährmänner kommen und gehen, Gott aber bleibt in Ewigkeit.").
1383-1553 Heiligenseer Blutsweg
In einem alten Spandauer Erbregister von 1591 wird der Heiligenseer Blutsweg erwähnt. Dieser Weg ist Teil eines friedlichen Pilgerweges, der über Berlin, Tegel, an der Malche am Tegeler See vorbei durch den Wald über Sandhausen nach Heiligensee führte. In Heiligensee machten Pilgerscharen im Dorfkrug Rast und hielten ihre Gebete in der Dorfkirche, bevor sie mit der Fähre nach Niederneuendorf übersetzten, um von dort aus den Weg weiter nach Bötzow und zum Ziel Bad Wilsnack anzutreten. Unter den rauchenden Trümmern, verursacht durch eine von Raubrittern abgebrannte Kirche im Dorf bei Bad Wilsnack (Prignitz), entdeckte der Priester von Bad Wilsnack unversehrte Abendmahlshostien, die frische Blutstropfen trugen. Diese bewirkten die Heilung von Kranken. Alsdann strömten Pilgerscharen in das Dorf, um Heilung und Gnade zu finden und Gott anzubeten. Dies taten die Menschen fast 200 Jahre lang, pro Jahr kamen ca. 100.000 Wallfahrer aus Norddeutschland, Dänemark, Norwegen und Ungarn über die Pilgerstraße Erfurt, Berlin, Tegel, Heiligensee. Erfurt sperrte teilweise die Stadttore wegen Quartier- und Verpflegungsmangel. 1506 wurde eine Brücke über die Havel bei Hennigsdorf nach Heiligensee gebaut. Somit verlor der Pilgerweg gänzlich an Bedeutung. Nach Einführung der Reformation hörten auch die Wallfahrten nach Bad Wilsnack auf. Nur noch Erinnerung und Hinweis auf Leid und Schmerz und der Verlust gehören zum Namen "Heiligenseer Blutsweg".
1607 Der Schwarze Tod in Heiligensee
1607 kam die Pest auch nach Heiligensee, die sich bis dahin in Europa schon in großem Umfang ausgebreitet hatte. Wie viele Opfer die 27 ansässigen Heiligenseer Familien zu beklagen haben, ist unbekannt. Aber fünf Familien haben auch die Zeit danach überlebt, z.B. die des 30-jährigen Krieges und andere Unglückszeiten. Bis heute leben "alte" Familien in Heiligensee, z.B. Ludwick Löper, Drewes Bartel, Joachim Kneue, Mewes Schmidt, der Fährmann von 1607 Bartholomäus Lemke. Das Schicksal des Pfarrers Joachim Selerius (der nicht auf der Pfarrertafel verzeichnet ist) und seiner Familie bleibt unbekannt. Wir wissen nicht, ob sie Opfer einer Krankheit geworden sind oder ob der Pfarrer aus dem Kirchlichen Dienst entlassen wurde. 1607 hat er sich geweigert, Pesttote auf dem Friedhof der Kinder zu beerdigen, Schwerkranken hat er die Sterbesakramente verweigert.
1618 - 1648 Dreißigjähriger Krieg
Ab 1624 belasten durchziehende Soldatenheere die Haveldörfer durch Wegtreiben von Vieh, Raub, Mord, Abbrennen von Häusern und Hütten. 1636 werden weite Landzüge Brandenburgs verwüstet und verödet durch die Kriegserklärung Brandenburgs an die Schweden. Heiligensee ist durch die insulare Lage weitgehend verschont geblieben. Gegen Ende des Krieges beginnen die Heiligenseer mit der notdürftigen Reparatur der Kirche. Ansporn dazu gibt Pfarrer Düring (1644 - 1651). Aus dieser Zeit stammt auch die Messing-Taufschale , die heute noch benutzt wird. Sie wurde 1647 von einem Heiligenseer Bürger gestiftet.
1648 - 1674 Nachkriegsjahre
Erst 30 Jahre nach Kriegsende war das Heiligenseer Ackerland (Feldmark) wieder brauchbar, wenn auch nur zur Hälfte. Die Bauern waren verschuldet. Jedoch haben die Heiligenseer für durchkommende Flüchtlinge immer Hilfe gewährleisten können. 1667 wurde die Kirche repariert.. 1674 hat man aus Angst vor erneuten Angriffen der Schweden, die wieder in Brandenburg eingefallen waren, völlig übereilt die Havelbrücke nach Hennigsdorf abgerissen. Am 26.09.1674 kam der Gegenbefehl aus Berlin. Die Brücke jedoch war zerstört.
1675 - 1700 Von Heiligenseern, Pfarrerkasse und Zappenzins
1675 wurde durch den Wiederaufbau der zerstörten Havelbrücke die Poststraße Berlin-Hamburg wieder befahrbar. 1677 wird erstmalig der Name Bergemann erwähnt. Die Familie siedelte sich in Heiligensee an, nachdem sie Dorfkrug und Hofgebäude durch einen Brand eingebüßt hatten. 1679 wird der neue Pfarrer gewählt, Martin Koppekel, ein Märker. Dies nach etlichen Absagen an andere Pfarrer, die der Gemeinde nicht gefielen. 1695 unterschreibt die Bauernfamilie Bartel zum ersten Mal als jetziger Dorfschulze eine Heiligenseer Kirchenrechnung.
1707 - 1713 Rätsel um den Heiligenseer Kirchturmbau
Der Kirchenturm ist das Symbol für Schutz, Trutz und Wehrhaftigkeit der christlichen Gemeinschaft. Das Aussehen des Dorfkirchenturms im Mittelalter ist unbekannt. Möglicherweise war ein "Dachreiter" mit Glocke vorhanden, aus dem dann der Turm entwickelt wurde. In katholischer Zeit fand man die Glocke, eingeritzt mit den Namen der drei Heiligen Könige aus dem Morgenland Caspar, Melchior und Balthasar vor. Der Turm wurde von Dezember 1760 bis 1.4.1761, also während des 7-jährigen Krieges, gebaut. Wir finden darüber jedoch keine Eintragung im Kirchenrechnungsbuch, das zu dieser Zeit sonst sehr penibel geführt wurde. Fünfzig Jahre vorher (1707 - 1713) wurden jedoch sehr genaue Aufzeichnungen darüber gemacht. Es gibt Angaben über die Anlieferung von Baumaterial, die Bauleitung durch Meister Ochs. Wegen Geldmangel musste der Bau gestoppt werden. Vom König kam der Befehl den Bau fortzusetzen. So wurde der Turmboden gefertigt und die Aufhängung der Glocken (1 große und 1 kleine Glocke) vorgenommen. Wann nun genau der Turm gebaut wurde, bleibt unklar - 1711 oder 1761? Vielleicht fanden 1761 auch größere Reparaturarbeiten statt. Die Entstehungszeit der Wetterfahne ist mit der Jahreszahl 1761 festzumachen. Die jetzige Wetterfahne ist einer älteren Fahne von 1958 nachempfunden.
1705 - 1717 Magister Johann Stilken
Der 8. Name auf der Pfarrtafel am Eingang des Pfarrturms ist der einzige mit einem doktorähnlichen Titel. Der Magister Johann Stilken war 22 Jahre Pfarrer für Heiligensee, Neuendorf, Niederneuendorf und Hennigsdorf. Er stammte aus Magdeburg, studierte in Helmstedt und Leipzig, begann als Feldprediger in Dresden und kam 1705 mit 36 Jahren nach Heiligensee. 1706 heiratete er 37-jährig die "Jungfer Clara Regina Laurentius", die Tochter des Niederneuendorfer Amtsmannes. Acht Kinder gingen aus dieser Ehe hervor. Die Familie hatte viele Schicksalsschläge hinzunehmen. 1727 musste der Pfarrer, fünf Monate vor seinem eigenen Tod, den ältesten Sohn zu Grabe tragen. 15 Tage vor seinem Tod wurde das jüngste Pfarrkind Eva Margaretha geboren. Noch heute leben Nachkommen der Familie in Westdeutschland und Berlin-Frohnau. In der Amtszeit des Magisters wurde der Kirchturm gebaut, der Ausbau der Dorfkirche vorgenommen, etwa so, wie wir sie heute kennen, und das "Heiligenseeische Kirchenbuch von Getauften, Copoulierten und Gestorbenen" ist heute eine Fundgrube Heiligenseer Familiengeschichte...
1716 Die gestohlene Leinwand
Ein tragisches Ende fand die Jungfrau Catharina Elisabeth Kühne. Sie starb wohl am Zerbrechen einer Liebe oder einem heimlichen Verlöbnis mit Michael Lemckens, dem Täter des Leinwand-Diebstahls am 25.08.1716.
1719 Heiligenseer Maulbeerbäume
Die Anpflanzung von Maulbeerbäumen geht auf Erlass des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (Vater von Friedrich dem Großen) zurück. Bei seinem Regierungsantritt 1713 ist der Staat verschuldet. Die Schulden sollen durch strenge Sparmaßnahmen getilgt werden, angefangen beim Königlichen Hof und in der Beamtenschaft und Verwaltung. Die planmäßige Bewirtschaftung brachliegender Ländereien und der Anbau von Maulbeerbäumen wird angeordnet. Das Laub der Maulbeerbäume dient der Seidenraupenzucht und Seidenproduktion in den neu errichteten Seidenspinnereien. Man will so die Unabhängigkeit ausländischer Seideneinfuhr erreichen. 1716 werden 16 Maulbeerbäume für 16 Groschen auf dem Kirchhof der Dorfaue angepflanzt. Bis 1740 gab es in Heiligensee 67 dieser Bäume.
Für die Erhaltung und Pflege der Maulbeerbäume waren die Pfarrer, Küster und Schulmeister zuständig., "weil sie in ihrem Dienst nicht ganz ausgelastet", so die sarkastische Bemerkung Friedrich des Großen. Die Kirchenbücher wurden auf königliche Anordnung penibel geführt und geben genaue Auskunft über Bestand, Abgang und Neupflanzung. Allerdings gab es in Heiligensee mehr Abgang als Verkauf. Heute sind nur noch zwei Maulbeerbäume aus dem einstigen Bestand zu finden.
1722 Heiligenseer Dorfschmiede
1591 wurde die "Wohnschmiede" (Schmiede = Wohnsitz des Schmieds in Heiligensee) urkundlich erwähnt. Seit 1722 gibt es die "Erbschmiede", für die 18 Groschen Erbschmiedezins gezahlt wurden. Die Schmiede ist seitdem in Besitz von ein und derselben Handwerkerfamilie. Das wiederum ist einmalig in Berlin und Umgebung. 1725, zur Zeit des Soldatenkönigs, wird der "Eisen-, Huf- und Waffenschmied" Joachim Schultze als erste Familie dieser Art in alten Kirchenbüchern erwähnt. Johann Friedrich Schultze war zu Friedrichs Zeiten hier Huf- und Waffenschmied. Die Jahreszahl seiner Hochzeit (1767) mit der Kirchenvorstehertocher Anna Elisabeth Lemcke verewigte er in seinem Schmiedeamboss. Daneben steht: SOLI DEO GLORIA (Gott allein die Ehre). Der Amboss ist heute noch im Familienbesitz und steht neben der alten Dorfschmiede. Ernst Fleischer ist der letzte Schmiedemeister dieser Familie gewesen. Die Werkstatt ist heute an einen jungen Schlosser vermietet.
1724 Harte Zeiten
Soldatenkönig Friedrich Wilhelm verlegt seine "Großen Grenadiere" von Havelberg nach Potsdam. Potsdam wird zur Garnisonsstadt ausgebaut. Die Abführung von Spenden aus Heiligensee für das Militärwaisenhaus und den Bau der Garnisonskirche Potsdam wird angeordnet. Es herrscht eine hohe Sterberate, besonders Säuglinge sind betroffen. Dies vorwiegend durch Missernten, Schulden konnten nicht getilgt werden. Armut, Bettler, die woanders nicht mehr aufgenommen wurden, starben in Heiligensee an Krankheit und ihrer Armut zur Zeit des Pfarrers Johannes Schilken und des Dorfschulzen Hans Bartel und seiner Schwester Euphrosine Bartel.